Kommunen im Corona-Herbst
Der Sommer hat uns nur eine kurze Auszeit gegeben. Das was Viele vermuteten, hat sich nun eingestellt. Die fallenden Temperaturen führten zu einer zweiten Infektionswelle, die aktuell durch Mitteleuropa fegt. Fast alle Staaten reagieren mit erneuten drastischen Einschränkungen des öffentlichen Lebens. In Deutschland wurde ein abgemilderter Lockdown verkündet und alle hoffen, dass diese Maßnahmen ausreichen, um die Zahlen wieder sinken zu lassen.
Was sind die Folgen für die Politik im Allgemeinen und für die Kommunen im Speziellen?
Produzieren für den Kreislauf
Was für eine fantastische Vorstellung wäre es, sämtliche Produkte stetig aufs Neue zu verwenden, die Ressourcen dieser Erde im Boden zu lassen und keine Schadstoffe mehr zu emittieren. Mag sein, dass sich diese Utopie in ihrer Vollkommenheit nur schwerlich erreichen lässt, doch zumindest die Richtung sollte stimmen. Der aktuelle Befund lautet: Wir stehen am Anfang des Weges, könnten aber viel weiter sein. In der Kreislaufwirtschaft besteht eine enorme Diskrepanz zwischen dem technisch Möglichen und dem tatsächlich Erreichten, weshalb unnötige Hürden endlich aus dem Weg geschafft gehören.
Wessis in Weimar
30 Jahre Deutsche Einheit waren in den vergangenen Wochen ein guter Anlass für den Blick zurück auf Erreichtes und Gescheitertes. Während in den üblichen Festreden eher die positiven Aspekte gewürdigt werden, legte man im thüringischen Rudolstadt den Finger in eine tiefe Wunde der ostdeutschen Wirtschaft und Gesellschaft. Mit der Wiederaufführung des Stückes „Wessis in Weimar“ wurde die teilweise desaströse Rolle der Treuhandanstalt für den Aufbau Ost thematisiert und nicht ganz nebenbei an einen der größten zeitgenössischen Dramatiker Deutschlands erinnert – Rolf Hochhuth.
ÖPP – ein Debattenbeitrag und dessen Präsentation
Angesichts knapper werdender Ressourcen, einer wachsenden Komplexität und eines hohen Investitionsbedarfs besteht für die kommunale Daseinsvorsorge ganz objektiv das Erfordernis von Kooperation und Interaktion. Dies gilt sowohl innerhalb der kommunalen Familie, aber auch darüber hinaus. Allerdings haben gerade Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Trägern in den vergangenen Jahren erheblich an Renommee verloren und werden aktuell immer weniger eingegangen. Es waren unter anderem diese gegenläufigen Tendenzen, die Ludger Rethmann und Prof. Dr. Michael Schäfer dazu veranlassten, sich eingehend mit dem Spannungsfeld öffentlich-privater Kooperationen zu befassen. Die Konstellation der beiden Autoren verspricht sowohl Ausgewogenheit als auch Kontroverse. Denn der eine ist Vorstandschef und Miteigentümer von Remondis, dem größten privaten und weltweit tätigen Ver- und Entsorgungsunternehmen in Deutschland, und der andere als erster und – bis dato – bundesweit einziger Professor für Kommunalwirtschaft ein bekennender Kommunaler. Die beiden gemeinsamen Bücher sind zu Beginn des Jahres 2020 bzw. Ende August erschienen, jeweils im renommierten Verlag SpringerGabler, Wiesbaden. Die Präsentation des ersten der beiden ÖPP-Titel musste aus bekannten Gründen vom April auf den September verschoben werden. Trotz der aktuell recht einseitigen Nachrichtenlage hat er in der Fachöffentlichkeit bereits für einiges Aufsehen gesorgt. Für das breite Publikum aber tagesaktuell ist der Folgeband aus der Reihe Essentials, der die Öffentlich-Private Daseinsvorsorge (ÖPD) zum Thema hat. Dieser Begriff wurde im direkten Kontext mit dem Buch neu geprägt und für das Gabler Wirtschaftslexikon definiert.
Steuerlicher Querverbund
Der steuerliche Querverbund ist in letzter Konsequenz eine Folge der Professionalisierung der Daseinsvorsorge. Würden die Leistungen der Ver- und Entsorgungswirtschaft noch immer in Eigenbetrieben organisiert, wären sie zwangsläufig Teil ein- und derselben Verwaltungsbilanz. Insofern ließe sich die aktuelle Debatte als von den Kommunen selbst verursacht abtun, doch ein anderer Weg war schlicht nicht opportun. Natürlich war es richtig, die ökonomische Betätigung aus der reinen Verwaltung herauszuholen und einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Das hat den Kommunen, den Bürgern und auch dem Steuerzahler viel gebracht. Dass die so generierten Gewinne auch versteuert werden sollten, gehört eigentlich zum guten Tun, andererseits jedoch werden damit wichtige Leistungen querfinanziert, die nicht so viel einbringen, wie etwa die Energiewirtschaft, aber dennoch essentiell sind für das Zusammenleben vor Ort.
Von der Straße auf die Schiene
Die Bahnreform ist mittlerweile mehr als ein Vierteljahrhundert her. Doch ein Ende der Debatte ist kaum abzusehen. Und so befindet sich der Schienenverkehr in Deutschland seit fast drei Jahrzehnten in einer Art Schwebezustand, der eher von Pragmatismus und Improvisation geprägt ist als von konsistenten Regelungen. Die Verkehrsverlagerung von der Straße auf die Schiene ist jedenfalls nicht gelungen – zumindest nicht im angestrebten Ausmaß. Um den avisierten Paradigmenwechsel zu realisieren und der Bahn endlich zu einem ordentlichen Image zu verhelfen, werden weitere gravierende Neuorientierungen nötig sein.
Corona und die Kommunen
Corona belastet sämtliche Bereiche der Gesellschaft. Insofern sind alle Akteure aufgefordert, eventuellen Hilfsbedarf möglichst knapp zu kalkulieren und unter Berücksichtigung der allgemeinen Belastungen zu wägen. Weitgehender Konsens ist aber auch, dass die Kommunen zum einen eine zentrale Rolle bei der Bewältigung der Krise spielen und zum anderen besonders gefordert sind.
Umsatzsteuerprivileg
Seit Jahren wird über das sogenannte Umsatzsteuerprivileg kommunaler Unternehmen gestritten Nunmehr ist eine Regelung ergangen, die allerdings noch ihrer Umsetzung harrt, welche wiederum – dank Corona – aktuell nochmals nach hinten verschoben wurde. Zu erwarten ist aber, dass in absehbarer Zeit aus der Regel eine Ausnahme wird und sich Leistungen nicht mehr so leicht umsatzsteuerfrei erbringen lassen.
Direkt, mittelbar oder beides?
Mittlerweile setzen sich fast alle deutschen Parteien für eine Bürgerbeteiligung auf Bundesebene ein. Einzig die CDU sperrt sich noch vehement. In den Bundesländern und auch in den meisten benachbarten Staaten gibt es derartige Instrumente der Volksgesetzgebung schon. Doch was hat es gebracht? Die Evaluation der Ergebnisse fällt ambivalent aus. Und ist die repräsentative Demokratie des bundesdeutschen Grundgesetzes tatsächlich so defizitär, dass sie dringend um neue Elemente ergänzt werden muss?
Totale Sicherheit
In Vor-Corona-Zeiten war über Jahre, fast schon Jahrzehnte, die öffentliche Sicherheit eines, wenn nicht sogar das wichtigste, Thema der politischen Debatte. Erstaunlicherweise konnten auch die sinkenden Kriminalitätsraten kaum etwas an diesem Umstand ändern. Spätestens seit dem Aufkommen der AfD überbieten sich die politischen Parteien bei der Projektion von Horrorszenarien bzw. der Propagierung sicherheitspolitischer Heilsversprechen. Die Kommunen sollten darauf achten, dass die entsprechenden Mehraufwände von denjenigen beglichen werden, die sie bestellt haben.
Der Blogger
Prof Dr. Michael Schäfer
Prof. Dr. Michael Schäfer vertrat als Wissenschaftler bis zu seinem Ruhestand (2018) das Fachgebiet Kommunalwirtschaft an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde und war dort einer der beiden Initiatoren für den deutschlandweit ersten Masterstudiengang in dieser Disziplin (20210). Er ist Hauptautor des Standardwerkes zu diesem Gegenstand (Kommunalwirtschaft. Eine gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Analyse, 2014, Springer/Gabler), das 2023 als Print in zweiter Printauflage erscheint.
Hier geht es direkt zum Buch: Link
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