Die letzte Bastion der Sozialdemokratie

Die politischen Verteilungen in den 81 deutschen Großstädten

Die SPD ist in der Krise. Und dies schon seit Jahren. Auch die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans zum neuen Spitzenduo hat bislang keine Umkehr bewirken können. Die Sozialdemokraten liegen bei den großen Umfrageinstituten bei Werten zwischen 13 und 14 Prozent. Sie rangieren damit in etwa gleichauf mit der AfD und deutlich hinter den Grünen als der seit einigen Monaten stärksten Kraft des linken Lagers. Der seit Jahrzehnten andauernde Abschwung täuscht jedoch über den Umstand hinweg, dass die Sozialdemokratie in Kommunen und den Ländern nach wie vor über eine erhebliche Repräsentanz verfügt. Sozialdemokraten stellen in sieben Bundesländern die Ministerpräsidenten, liegen somit gleichauf mit der Union. Und insbesondere in den Metropolen bilden sie bis heute die dominierende Kraft. Bei der Frage nach der wichtigsten Großstadtpartei in Deutschland muss die Antwort unverändert lauten: SPD.

In Deutschland gibt es mittlerweile wieder 81 Großstädte. Das brandenburgische Cottbus feierte im vergangenen Jahr die Rückkehr in den exklusiven Club. Ganz neu dabei ist seit Sommer dieses Jahres das ostwestfälische Gütersloh mit derzeit knapp 100.200 Einwohnern.

Allein 30 deutsche Großstädte liegen in Nordrhein-Westfalen. Damit weist das einwohnerreichste Bundesland mehr Metropolen auf als die nachfolgenden Länder Baden-Württemberg (8), Bayern (8), Niedersachsen (8) und Hessen (5) zusammengenommen. Auf Rang sechs liegt Rheinland-Pfalz mit vier Großstädten. In den gesamten neuen Bundesländern haben nur noch zehn Städte mehr als 100.000 Einwohner. Davon liegen drei in Sachsen, jeweils zwei in Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen und eine in Mecklenburg-Vorpommern.

Schleswig-Holstein hat zwei und das Saarland eine Großstadt. Darüber hinaus finden sich in der Liste noch die beiden Stadtstaaten Berlin und Hamburg sowie der Zwei-Städte-Staat Bremen.

Die SPD stellt in 47 dieser Einheiten den Verwaltungschef, welcher zumeist den Titel eines Oberbürgermeisters trägt. Dies entspricht deutlich mehr als der Hälfte der deutschen Großstädte. Die Union hingegen regiert in lediglich 22 Großstädten, was in etwa einem Viertel der Posten entspricht. Dabei entfallen auf die CDU 20 und auf die CSU lediglich zwei Städte. Eine besondere Konstellation zeigt sich im unterfränkischen Würzburg. Dort regiert ein CDU-Mitglied eine bayerische Großstadt – ein Novum in der bundesdeutschen Parteiengeschichte.

Der Anteil parteiloser Verwaltungschefs liegt bei 8,6 Prozent bzw. sieben Großstädten. Damit sind unabhängige Mandatsträger bzw. solche, die über lokal begrenzte Bündnisse antreten, im urbanen Raum signifikant seltener anzutreffen als etwa in den Landkreisen.

Die Grünen stellen in drei deutschen Metropolen den Rathauschef. Jüngst konnten sie in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover erstmals eine norddeutsche Großstadt erobern und damit eine lange Serie von SPD-Oberbürgermeistern beenden.

Die Oberbürgermeister von Dresden und Jena gehören der FDP an. Dies lässt sich jedoch vor allem auf lokale Spezifika zurückführen. Grundsätzlich schneiden die Liberalen in Ostdeutschland und auch generell auf der kommunalen Ebene eher unterdurchschnittlich ab.

Je größer, desto roter und grüner

15 deutsche Städte haben etwa eine halbe Million oder mehr Einwohner. Diese hohe Zahl von mittelgroßen Metropolen ist im europäischen Vergleich durchaus beachtlich und verdeutlicht die hierzulande recht ausgeprägte Dezentralität. Von all diesen Städten wird nur eine von einem Unionsmitglied geführt; und zwar die Stadt Essen von ihrem Oberbürgermeister Thomas Kufen. In den Landeshauptstädten Stuttgart und Hannover ist das Rathaus in grüner Hand. In Köln regiert die parteilose Henriette Reker und in Dresden der FDP-Mann Dirk Hilbert. In den übrigen zehn Städten wird die Verwaltung von einem SPD-Mitglied geführt. Darunter sind auch die drei größten deutschen Metropolen Berlin, Hamburg und München.

Bezieht man die unterschiedlichen Einwohnerzahlen der deutschen Großstädte in die Gesamtrechnung ein, zeigt sich eine noch größere Dominanz der Sozialdemokratie. So werden 69 Prozent aller deutschen Großstädter auf der kommunalen Ebene von SPD-Leuten regiert. Der Anteil der Union beträgt nach dieser Rechnung lediglich 16 Prozent. Der Wert für die Parteilosen liegt bei acht und jener für die Grünen bei fünf Prozent.

Die Sozialdemokratie ist im großstädtischen Raum und zumindest im Hinblick auf die kommunale Ebene noch immer die tonangebende Kraft. Diese Dominanz war vor einigen Jahren jedoch noch ausgeprägter, sodass die inmitten der anhaltenden Krise erstaunlich hohen Werte dennoch einen leicht negativen Trend markieren. Vor sieben Jahren bzw. einer kommunalen Amtszeit wurden noch 73,3 Prozent der deutschen Großstädter von SPD-(Ober)Bürgermeistern geführt. Und erst jüngst hatte es der SPD-Kandidat bei der OB-Wahl in Hannover nicht einmal in die zweite Runde geschafft. Die SPD befindet sich insbesondere gegenüber den Grünen in einem anhaltenden Verteidigungskampf um die Vorherrschaft im urbanen Raum. Die Kommunalwahlen der kommenden Jahre werden zeigen, ob und wie sich die Sozialdemokratie innerhalb des linken Lagers gegen den kräftig wachsenden Konkurrenten behaupten kann.

Zwang zur Zusammenarbeit

Die Wahl eines Oberbürgermeisters erfolgt zumindest in den kreisfreien Städten über direkte Wahlen, die nach Mehrheitswahlrecht entschieden werden. Insofern ist eine gewisse Dominanz der größeren Parteien erwartbar. Schaut man sich jedoch die politischen Verteilungen in den Stadträten an, so zeigt sich eine andere Bilanz. In keiner der 15 größten deutschen Städte wird die Mehrheit von einer einzelnen Partei gehalten. Die SPD kommt auf Anteile von 46 Prozent in Hamburg, 44 Prozent in Nürnberg, 41 Prozent in Duisburg, 38 Prozent in Dortmund, 34 Prozent in Essen und 31 Prozent in Hannover. Die anderen Parteien reichen in keiner der 15 größten deutschen Metropolen an die 30-Prozent-Marke heran. Und auch in den anderen Großstädten sind absolute Mehrheiten nur äußerst selten anzutreffen.

Insgesamt wird unter den 81 deutschen Großstädten die stärkste Fraktion 36mal von der SPD gebildet, was einem Anteil von 44,4 Prozent entspricht. Die CDU stellt in 26 und die CSU in vier Städten die stärkste parlamentarische Kraft. Das ergibt zusammengenommen etwa 37 Prozent der Fälle. Die Grünen markieren in immerhin elf Städten die stärkste politische Kraft. Darunter sind die baden-württembergischen Grünen-Hochburgen Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Freiburg, Heidelberg, Ulm und Reutlingen, die Landeshauptstadt Mainz und Koblenz in Rheinland-Pfalz sowie das hessische Darmstadt. Überraschend mag erscheinen, dass die Grünen auch im Stadtrat der sächsischen Landeshauptstadt Dresden die stärkste Fraktion bilden.

In den vier ostdeutschen Städten Leipzig, Halle (Saale), Rostock und Jena liegt die Linke in der kommunalen Wählergunst ganz vorn.

Bezieht man die unterschiedlichen Einwohnerzahlen in die Rechnung mit ein, ist die Dominanz der SPD auch hinsichtlich der stärksten Stadtratsfraktion stärker ausgeprägt als in der absoluten Betrachtung. So leben 60 Prozent der deutschen Großstädter in eine Kommune mit SPD-dominiertem Stadtrat. Auf die Unionsparteien entfällt ein Anteil von lediglich 25 Prozent. Die Grünen liegen bei elf und die Linken bei viereinhalb Prozent.

Konkurrenz um die Vormachtstellung im linken Lager

Die SPD ist noch lange nicht verloren. Gerade auf der kommunalen Ebene zeigt sich, dass die Sozialdemokratie wie kaum eine andere politische Kraft im urbanen Milieu verhaftet ist. Hier kann sie auf lange Traditionslinien zurückblicken. Der Niedergang geht an den städtischen Gliederungen der Sozialdemokratie zwar nicht spurlos vorüber, doch sie ist bis heute die einzige politische Kraft mit dem Potential, in allen Teilen Deutschlands Großstädte für sich gewinnen zu können – von Hamburg über Erfurt nach Frankfurt bis nach München. Die erstarkenden Grünen stellen die SPD aktuell jedoch vor eine ungekannte Herausforderung. Einerseits profitierten die Sozialdemokraten in den vergangenen Jahren von einem zunehmend progressiver werdenden politischen Klima in den Großstädten, andererseits droht mit dem Verlust der Vormachtstellung im linken Lager die Mehrheitsfähigkeit von SPD-Kandidaten verlorenzugehen.

Stadt Bundesland EW Verwaltungschef Partei-zugehörigkeit Stärkste Partei
Berlin Berlin 3.644.826 Michael Müller SPD SPD
Hamburg Hamburg 1.841.179 Peter Tschentscher SPD SPD
München Bayern 1.471.508 Dieter Reiter SPD SPD
Köln Nordrhein-Westfalen 1.085.664 Henriette Reker parteilos SPD
Frankfurt am Main Hessen 753.056 Peter Feldmann SPD CDU
Stuttgart Baden-Württemberg 634.830 Fritz Kuhn Grüne Grüne
Düsseldorf Nordrhein-Westfalen 619.294 Thomas Geisel SPD CDU
Leipzig Sachsen 587.857 Burkhard Jung SPD Linke
Dortmund Nordrhein-Westfalen 587.010 Ullrich Sierau SPD SPD
Essen Nordrhein-Westfalen 583.109 Thomas Kufen CDU SPD
Bremen Bremen 569.352 Andreas Bovenschulte SPD CDU
Dresden Sachsen 554.649 Dirk Hilbert FDP Grüne
Hannover Niedersachsen 538.068 Belit Onay Grüne SPD
Nürnberg Bayern 518.365 Ulrich Maly SPD SPD
Duisburg Nordrhein-Westfalen 498.590 Sören Link SPD SPD
Bochum Nordrhein-Westfalen 364.628 Thomas Eiskirch SPD SPD
Wuppertal Nordrhein-Westfalen 354.382 Andreas Mucke SPD SPD
Bielefeld Nordrhein-Westfalen 333.786 Pit Clausen SPD SPD
Bonn Nordrhein-Westfalen 327.258 Ashok-Alexander Sridharan CDU CDU
Münster Nordrhein-Westfalen 314.319 Markus Lewe CDU CDU
Karlsruhe Baden-Württemberg 313.092 Frank Mentrup SPD Grüne
Mannheim Baden-Württemberg 307.997 Peter Kurz SPD Grüne
Augsburg Bayern 295.135 Kurt Gribl CSU CSU
Wiesbaden Hessen 278.342 Gert-Uwe Mende SPD SPD
Mönchengladbach Nordrhein-Westfalen 261.454 Hans Wilhelm Reiners CDU CDU
Gelsenkirchen Nordrhein-Westfalen 260.654 Frank Baranowski SPD SPD
Braunschweig Niedersachsen 248.292 Ulrich Markurth SPD SPD
Kiel Schleswig-Holstein 247.548 Ulf Kämpfer SPD SPD
Aachen Nordrhein-Westfalen 247.380 Marcel Philipp CDU CDU
Chemnitz Sachsen 247.237 Barbara Ludwig SPD CDU
Halle (Saale) Sachsen-Anhalt 239.257 Bernd Wiegand parteilos Linke
Magdeburg Sachsen-Anhalt 238.697 Lutz Trümper SPD CDU
Freiburg im Breisgau Baden-Württemberg 230.241 Martin Horn parteilos Grüne
Krefeld Nordrhein-Westfalen 227.020 Frank Meyer SPD SPD
Lübeck Schleswig-Holstein 217.198 Jan Lindenau SPD SPD
Mainz Rheinland-Pfalz 217.118 Michael Ebling SPD Grüne
Erfurt Thüringen 213.699 Andreas Bausewein SPD CDU
Oberhausen Nordrhein-Westfalen 210.829 Daniel Schranz CDU SPD
Rostock Mecklenburg-Vorpommern 208.886 Claus Ruhe Madsen parteilos Linke
Kassel Hessen 201.585 Christian Geselle SPD SPD
Hagen Nordrhein-Westfalen 188.814 Erik. O. Schulz parteilos SPD
Saarbrücken Saarland 180.741 Uwe Conradt CDU CDU
Hamm Nordrhein-Westfalen 179.111 Thomas Hunsteger-Petermann CDU CDU
Potsdam Brandenburg 178.089 Mike Schubert SPD SPD
Ludwigshafen am Rhein Rheinland-Pfalz 171.061 Jutta Steinruck SPD SPD
Mülheim an der Ruhr Nordrhein-Westfalen 170.880 Ulrich Scholten SPD SPD
Oldenburg Niedersachsen 168.210 Jürgen Krogmann SPD SPD
Osnabrück Niedersachsen 164.748 Wolfgang Griesert CDU CDU
Leverkusen Nordrhein-Westfalen 163.838 Uwe Richrath SPD CDU
Heidelberg Baden-Württemberg 160.355 Eckart Würzner parteilos Grüne
Solingen Nordrhein-Westfalen 159.360 Tim Kurzbach SPD CDU
Darmstadt Hessen 159.207 Jochen Partsch Grüne Grüne
Herne Nordrhein-Westfalen 156.374 Frank Dudda SPD SPD
Neuss Nordrhein-Westfalen 153.796 Reiner Breuer SPD CDU
Regensburg Bayern 152.610 Joachim Wolbergs SPD SPD
Paderborn Nordrhein-Westfalen 150.580 Michael Dreier CDU CDU
Ingolstadt Bayern 136.981 Christian Lösel CSU CSU
Offenbach am Main Hessen 128.744 Felix Schwenke SPD SPD
Würzburg Bayern 127.880 Chrstian Schuchardt CDU CSU
Fürth Bayern 127.748 Thomas Jung SPD SPD
Ulm Baden-Württemberg 126.329 Gunter Czisch CDU Grüne
Heilbronn Baden-Württemberg 125.960 Harry Mergel SPD CDU
Pforzheim Baden-Württemberg 125.542 Peter Boch CDU CDU
Wolfsburg Niedersachsen 124.151 Klaus Mohrs SPD SPD
Göttingen Niedersachsen 119.801 Rolf-Georg Köhler SPD SPD
Bottrop Nordrhein-Westfalen 117.383 Bernd Tischler SPD SPD
Reutlingen Baden-Württemberg 115.966 Thomas Keck SPD Grüne
Koblenz Rheinland-Pfalz 114.024 David Langner SPD Grüne
Bremerhaven Bremen 113.634 Melf Grantz SPD SPD
Recklinghausen Nordrhein-Westfalen 112.267 Christoph Tesche CDU SPD
Bergisch Gladbach Nordrhein-Westfalen 111.966 Lutz Urbach CDU CDU
Erlangen Bayern 111.962 Florian Janik SPD CSU
Jena Thüringen 111.407 Thomas Nitzsche FDP Linke
Remscheid Nordrhein-Westfalen 110.994 Burkhard Mast-Weisz SPD CDU
Trier Rheinland-Pfalz 110.636 Wolfram Leibe SPD CDU
Salzgitter Niedersachsen 104.948 Frank Klingebiel CDU SPD
Moers Nordrhein-Westfalen 103.725 Christoph Fleischhauer CDU SPD
Siegen Nordrhein-Westfalen 102.337 Steffen Mues CDU CDU
Hildesheim Niedersachsen 101.990 Ingo Meyer parteilos CDU
Cottbus Brandenburg 100.219 Holger Kelch CDU CDU
Gütersloh Nordrhein-Westfalen 100.194 Henning Schulz CDU CDU

 

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