Zündstoff zum Jahreswechsel

Wenn es  am 31. Dezember um Mitternacht wieder bunt am Himmel und laut auf den Straßen wird, dann freuen sich die einen und ärgern sich die anderen. Die einen befürworten das Abbrennen von Feuerwerkskörpern, Böllern und farbigen Lichtern. Die anderen verurteilen das Silvesterspektakel aus Gründen des Umweltschutzes und vor allem der Sicherheit.  Allein in Berlin gingen in der  Silvesternacht von 2018 fast 3.000 Notrufe ein, die Polizei rückte dort zu mehr als 1.721 Einsätzen aus – die meisten wegen verbotenen Umgangs mit Pyrotechnik.

Und es gibt auch diejenigen, die sich über die zusätzliche Feinstaubbelastung, den Stress für Tiere und hunderte Kubikmeter Müll ärgern. In den fünf größten deutschen Städten (Berlin, Hamburg, München, Köln und Frankfurt/Main müssen die kommunalen Abfallentsorger am Neujahrstag jährlich etwa 191 Tonnen Silvesterabfall aufsammeln.

Kommunen sind rechtlich teils die Hände gebunden

Rein juristisch sind die Kommunen an der Stelle nicht vollkommen handlungsfähig. Denn die Gesetzgebung für das Abbrennen von Pyrotechnik liegt ausschließlich beim Bund – in der sogenannten Sprengstoffverordnung. Und diese ist, trotz Vorstößen von mehreren Bürgermeistern, bis heute nicht grundsätzlich geändert worden.

Der kritische Passus der Sprengstoffverordnung verbirgt sich hinter Paragraf 24. Dort steht zwar, dass die zuständige Behörde anordnen kann, dass pyrotechnische Gegenstände der Kategorie F2 (klassisches Silvesterfeuerwerk für den Privatgebrauch) in dicht besiedelten Gebieten verboten werden können. Allerdings beschränkt sich diese Möglichkeit auf Feuerwerkskörper mit „ausschließlicher Knallwirkung“. Das heißt im Umkehrschluss, dass das Verbot zwar für Kracher, nicht aber für Silvesterraketen gilt.

Verbote nur wegen gewichtiger Sicherheitsgründe

Natürlich hat eine kommunale Behörde schon jetzt die Möglichkeit, in ihren Städten und Gemeinden das private Abbrennen von Feuerwerkskörpern – egal ob Böller oder Rakete – in  bestimmten Gegenden komplett zu untersagen. Nur ist diese Option eben sehr eingeschränkt. Es müssen gewichtige Sicherheitsbedenken reklamiert werden, um eine lückenlose Verbotszone für Feuerwerk durchzusetzen. Nur die Gefahr für die Gesundheit des Einzelnen oder für öffentliche Einrichtungen kann eine ausreichende Legitimation für die Schaffung von Verbotszonen bilden. Andere Überlegungen spielen aus  juristischer Sicht keine Rolle.

Immer mehr Städte errichten Verbotszonen

Dass die Knallerei und die damit verbundenen Gefahren überhandnehmen, wird daran deutlich, dass immer mehr Städte in Deutschland wegen Sicherheitsrisiken Verbotszonen einrichten. Darunter sind Berlin, Hannover und seit Ende November auch Stuttgart. In Köln ist das Böllern schon seit 2016 rund um den Dom untersagt, eine Folge der Übergriffe und Rechtsverstöße während der Silvesternacht von 2015. München ist das jüngste Beispiel von Städten, die in diesem Jahr zentrale Bereiche von Feuerwerk freihalten werden. Die Münchner Polizei warnt schon seit Jahren vor „unkalkulierbaren Risiken für Leib, Leben und Gesundheit der anwesenden Personen“. Insgesamt hinken die deutschen Großstädte anderen europäischen Metropolen bei den Verbotszonen hinterher. In Paris, Athen oder London  ist das private Zünden von Feuerwerkskörpern schon seit Jahren verboten.

Mehrere Bürgermeister fordern Änderung der Sprengstoffverordnung

Die aktuellen Verbote haben eines gemeinsam: Sie konzentrieren sich allein auf Sicherheitsüberlegungen. Würden Kommunen die Bannkreise für Pyrotechnik mit Tier-, Umwelt- oder Klimaschutz begründen, wäre ein solches Vorhaben rechtlich zum Scheitern verurteilt.

Einige Stadtoberhäupter, beispielsweise Münchens OB Dieter Reiter, wollen diese Einschränkung nicht länger hinnehmen und fordern beim Bundesministerium des Innern eine Änderung der Sprengstoffverordnung.

Michael Müller, Regierender Bürgermeister von Berlin, brachte im November einen Verordnungsantrag in den Bundesrat ein. Darin bat er die Länderkammer darum, im betreffenden Artikel die Einschränkung „mit öffentlicher Knallwirkung“ zu streichen und den Behörden damit mehr Spielraum zu geben. So sollen Kommunen künftig in der Lage sein, auch Raketen und Verbundfeuerwerke aus Gründen der Sicherheit, Luftreinhaltung, Müllentsorgung oder des Tierschutzes zu verbieten.

„Die aktuellen Geschehnisse der letzten Jahre zu Silvester haben gezeigt, dass allein die Beschränkung auf pyrotechnische Gegenstände mit ausschließlicher Knallwirkung nicht genügt“, begründete Müller seinen Antrag.

Deutsche Umwelthilfe startete viel beachtete Verbots-Initiative

Rückendeckung bekommen Feuerwerksgegner in diesem Jahr von der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Der Verband startete eine viel beachtete Initiative und hat in fast hundert Gemeinden mit starker Feinstaubbelastung ein Verbot der Silvester-Böllerei beantragt. Laut Umweltbundesamt würden durch die Feuerwerke zum Jahreswechsel innerhalb weniger Stunden in Deutschland rund 4.500 Tonnen Feinstaub freigesetzt, was etwa 15,5 Prozent der jährlich im Straßenverkehr abgegebenen Feinstaubmenge entspräche.

Städte und Gemeinden gegen Pauschalverbot

Zahlreiche Städte wie Frankfurt am Main und Würzburg planen trotz des DUH-Vorstoßes keine Beschränkungen und verweisen auf rechtliche Hürden, die ein Verbot aufgrund von Umweltbelastungen noch nicht zulassen, oder eigene Feinstaubgrößen, die innerhalb der gesetzlichen Grenzwerte liegen. Andere Kommunen warnen, dass die Kontrolle möglicher Verbote ohne teures, neues Überwachungspersonal unmöglich wäre.

Bund prüft Sprengstoffgesetz

Eine Anfrage im Bundesinnenministerium deutet dennoch auf eine baldige Änderung des Sprengstoffrechts hin: Derzeit werde der gesamte Rechtskorpus überarbeitet, heißt es aus dem Ressort. Allerdings soll ein entsprechender Entwurf erst zu Beginn der kommenden Legislaturperiode in den Bundestag eingebracht werden.

Immerhin würden bei der Neufassung die Sorgen der Kommunen miteinbezogen, so der Ministeriumssprecher. In diesem Rahmen werde auch zu prüfen sein, inwieweit die bisherigen Regelungen zur Nutzung von Feuerwerk zum Jahreswechsel gegebenenfalls anzupassen sind, etwa im Hinblick auf möglicherweise veränderte Rahmenbedingungen, wie zum Beispiels erhöhter Gefährdungslagen in Großstädten oder einer sich gegebenenfalls verändernden Akzeptanz in der Bevölkerung.

Fazit

Die Silvester-Knallerei erscheint einer wachsenden Zahl von Bürgern als unzumutbarer Anachronismus eines zumeist männlichen Präsenzgehabes. Andere wiederum verweisen auf die umfassenden Freiheitsrechte einer liberalen Gesellschaft. Diese beiden Pole lassen sich schwer miteinander vereinen und so sollten sachliche Erwägungen und die konkreten Randbedingungen den Ausschlag geben, ob und wie die Knallerei mit den Bedürfnissen möglichst aller Bewohner einer Kommune in Einklang gebracht werden kann. Selbstverständlich sollte den Kommunen diesbezüglich das letzte Wort eingeräumt werden. Denn sie sind sowohl für die Einhaltung von Feinstaubgrenzwerten als auch für die Sicherheit und eben auch für die Abfallentsorgung zuständig. Eine gesetzliche Anpassung des Sprengstoffgesetzes hin zu mehr Subsidiarität scheint also dringend geboten. In Zeiten, in denen eine wachsende Anzahl von Städten Fahrbeschränkungen für Diesel-Pkw einrichtet und den Klima-Notstand ausruft, sollte den Kommunen auch ein angemessener Spielraum für den Umgang mit Silvester-Feuerwerken eingeräumt werden. Alles andere wäre widersinnig. Zudem sollten Wege ersonnen werden, die gesellschaftlichen Kosten der Knallerei noch deutlich stärker auf die Verursacher umzulegen.

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