Die Erdölpreise befinden sich gerade im freien Fall. Hintergrund sind die Corona-bedingt stark sinkende Nachfrage sowie die Machtkämpfe zwischen den wichtigsten Rohstoffnationen – namentlich Saudi-Arabien, Russland und die Vereinigten Staaten. Doch das, was den Autofahrer an der Tankstelle vielleicht freuen wird, ist ein schlechtes Signal für das Klima. Denn es sinken die Anreize für die Nutzung ökologisch verträglicher Antriebstechnologien. Und grundsätzlich strahlt die Ölpreisproblematik weit über den Mobilitätssektor hinaus. Kunststoffe – hier vor allem Plastik – bestehen zu einem Großteil aus Erdöl. Und je billiger das Rohprodukt, desto geringer werden die Anreize für eine Wiederverwertung. Dieser sehr einfache Marktmechanismus stellt sich allerdings nur ein, weil die ökologischen Kosten des Rohstoffs bislang nicht eingepreist sind. Und so werden derzeit weniger als 20 Prozent der anfallenden Kunststoffe tatsächlich auch stofflich verwertet, gelangen also wieder in den Produktkreislauf. Drei Fünftel werden immerhin energetisch genutzt, doch ein signifikanter Anteil von mehr als 13 Prozent wird nach wie vor ins Ausland exportiert. Festlandchina ist als Abnehmer deutschen Plastikmülls vor einigen Monaten ausgestiegen, doch einige andere asiatische und afrikanische Staaten importieren ihn noch immer. Diese Zahlen zeigen, dass die technischen Möglichkeiten für ein möglichst umfassendes Recycling bei weitem nicht ausgeschöpft sind und dass es diesbezüglich an ökonomischen Anreizen fehlt.
Die Kommunen sind Aufgabenträger im Kernmarkt der Entsorgung, nämlich der Sammlung haushaltsnaher Abfälle. Und wie die Stadtwerke im Bereich Energie sind auch die kommunalen Entsorger dazu aufgerufen, dringend notwendige Impulse in Richtung Nachhaltigkeit zu setzen, Abfälle nicht nur einzusammeln, sondern auch möglichst umfassend zu verwerten. Insbesondere die großen kommunalen Entsorgungsbetriebe haben einige Erfolge aufzuweisen, doch insgesamt ist zu konstatieren, dass die kommunale Entsorgungswirtschaft den Kollegen im Bereich Energie etwas hinterherhinkt. Kunststoffe sind dabei nur eine Facette, denn Ähnliches gilt für Kartonagen, Biomüll oder Klärschlamme. Auch im Hinblick auf diese Fraktionen muss konstatiert werden, dass die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten bei weitem nicht ausgeschöpft sind. Das ist schade. Denn obwohl die Klimadebatte meist auf die drei Sektoren Strom, Energie und Verkehr verkürzt wird, liegen in möglichst vollständigen Stoffkreisläufen ganz enorme Einsparpotentiale. Im Idealfall werden überhaupt keine neuen Ressourcen mehr benötigt, doch einstweilen geht es erst einmal darum, den Anteil der Wiederverwertung deutlich zu erhöhen.
Angesichts dieser ambitionierten Ziele stehen die Kommunen vor äußerst komplexen Herausforderungen. Wurden die Abfälle vor Jahrzehnten noch einfach deponiert und die Abwässer geklärt bzw. über Rieselfelder in die Natur eingebracht, müssen aktuell deutlich komplexere Prozesse bewältigt werden. So erscheint es problematisch, dass sich viele Kommunen noch immer fast ausschließlich auf die Sammlung von Abfällen konzentrieren und deren Verwertungsprozesse nicht angemessen berücksichtigen. Derzeit beschränken sich derartige Aktivitäten noch weitgehend auf die großen Metropolen und deren Entsorgungsunternehmen. Dabei lässt sich auch im kleinen Maßstab schon Einiges erreichen. Grundsätzlich erscheint es sinnvoll, wenn in kooperativen Modellen die Verbundvorteile und die Innovativität eines potenten Partners genutzt werden. Wenn die Kommune dabei die Mehrheit der Anteile behält, obliegt ihr nach wie vor das Letztentscheidungsrecht für die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Der jeweilige Partner müsste in diesem Fall inhaltlich und mit klugen Konzepten überzeugen und eben nicht mit seiner Kapitalmacht.
Emissionsfrei und kostengünstig
Abwässer und Abfälle sind nicht zuletzt Wertstoffe und als solche sollten sie auch von den Kommunen und deren Unternehmen angesehen werden. In einem kleinen Rahmen lassen sich bereits heute nahezu vollständige Stoffkreisläufe herstellen. Und wenn Sammlung, Verwertung und Einsatz auf ein gewisses Territorium begrenzt bleiben, reduzieren sich zudem die Mobilitätskosten.
Ein entsprechendes Projekt wird seit Jahren in der bergischen Metropole Wuppertal verfolgt. Die AWG Abfallwirtschaftsgesellschaft mbH Wuppertal und die Stadtwerke der Stadt sowie der Abfallwirtschaftsverband EKOCity wollen das Müllheizkraftwerk im Stadtteil Küllenhahn zur Erzeugung sauberen Wasserstoffs nutzen. Mittels Elektrolyse wird aus Wasser Wasserstoff gewonnen, wobei der dafür nötige Strom aus dem Müllheizkraftwerk stammt. Direkt am Standort ist eine Wasserstoff-Tankstelle für die Linienbusse der Stadtwerke entstanden, die noch in diesem Sommer in Betrieb genommen werden soll. Der benötigte Wasserstoff für den Antrieb der Busse wird in den Bussen in eine Brennstoffzelle geleitet, wo die Elektrolyse umgekehrt wird und die freiwerdende Energie den Elektromotor des Busses speist. Ausgestoßen wird reiner Wasserdampf. Beim Antrieb entstehen also keine Schadstoffe.
Die Busse stammen von einem belgischen Hersteller, der schon seit 2005 größere Fahrzeuge auf Brennstoffzellenbasis herstellt. Zuerst für den amerikanischen Markt und seit 2007 auch für Europa. Der aktuelle Auftrag zum Bau von insgesamt 50 Bussen für die Regionen Wuppertal und Köln ist der größte in der Unternehmensgeschichte. Der Elektromotor kommt auf eine Leistung von umgerechnet 285 PS, was selbst für die anspruchsvolle Topografie in Wuppertal ausreicht. Dank des Hybridantriebs mit Batterie- sowie Brennstoffzellentechnik und der Rückgewinnung der Bremsenergie lässt sich mit einer Tankfüllung von 38,5 kg Wasserstoff eine Reichweite von bis zu 350 km erzielen. Und da auch die Betankungszeiten zehn Minuten nicht überschreiten, stehen die Wasserstoffbusse ihren dieselbetriebenen Vorgängern in nichts nach. In Wuppertal gelingt es also, die städtischen Abfälle direkt für den ÖPNV und weitere Teile des kommunalen Fuhrparks zu nutzen und gleichzeitig bei den Fahrzeugen keine schädlichen Emissionen auszustoßen. Hierfür sind die Stadtwerke Wuppertal im vergangenen Jahr 2019 völlig zurecht mit dem Stadtwerke-Award des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) ausgezeichnet worden. In Wuppertal wird gezeigt, wie sich unter ausschließlicher Nutzung kommunaler Ressourcen ein vollkommen schadstofffreier Antrieb des ÖPNV umsetzen lässt. Das ist als Leuchtturmprojekt von großer Strahlkraft, wiewohl die hierfür nötigen Investitionen ausgesprochen hoch sind. Und so mag es für kleinere Kommunen mit geringeren Ressourcen sinnvoller sein, nicht nach der hundertprozentigen Lösung, aber doch zumindest nach einer signifikanten Reduktion zu streben. Diese ist relativ einfach zu realisieren, wenn der lokale Biomüll in Biogas umgewandelt wird und damit Teile des kommunalen Fuhrparks betankt werden. Die Investitionskosten sind deutlich geringer, weil handelsübliche Erdgasbusse zum Einsatz kommen und auch die Errichtung einer Biogas-Tankstelle nicht allzu hohe Ressourcen erfordert. Vergleichsweise aufwendig ist es, das in den eigenen Anlagen erzeugte Biogas auf eine dem Erdgas vergleichbare Reinheit zu bringen. Doch auch hier hat es in den vergangenen Jahren signifikante Innovationssprünge gegeben. Bundesweit gibt es bereits einige Entsorgungsunternehmen die einen Teil oder sogar ihre gesamte Flotte mit Biogas betanken, welches aus lokal anfallenden Bioabfällen gewonnen wurde. Diese Projekte lassen sich als Insellösungen realisieren, sodass es durchaus fragwürdig erscheint, wenn die Politik in ihren Förderprojekten allzu starr auf die Elektromobilität setzt. Schließlich ist in dem beschriebenen Konstrukt gesichert, dass das Biogas fast vollständig oder sogar gänzlich aus dem eigenen Bioabfallaufkommen generiert wird. Die entsprechenden Fahrzeuge sollten ergo mindestens genauso gefördert werden wie die E-Mobilität.
Vom Abwasser zum wertvollen Rohstoff
Phosphor ist für jegliches Leben auf der Erde ein essentieller Nährstoff. Die deutsche Industrie und Landwirtschaft muss dieses wertvolle Gut jedoch derzeit zu nahezu 100 Prozent importieren. Und dies, obwohl es in kommunalen und industriellen Abwässern in ausreichender Menge vorhanden ist. Im Lüner Entsorgungsunternehmen Remondis wurde daher ein Verfahren entwickelt, wodurch sich Phosphate aus herkömmlicher Klärschlammasche isolieren lassen. Diese dienen dann wiederum als Dünge- und Futtermittel, als Lebensmittelzusätze sowie in einer Vielzahl von industriellen Anwendungen.
Das landeseigene Unternehmen Hamburg Wasser errichtet derzeit zusammen mit Remondis die weltweit erste Anlage zur Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammasche. Zu diesem Zweck wurde mit der Phosphorrecyclinggesellschaft Hamburg eigens ein gemischtwirtschaftliches Unternehmen ausgegründet, an dem Hamburg Wasser zu 60 und Remondis Aqua zu 40 Prozent beteiligt sind.
Der Grundstein wurde im Jahr 2019 gesetzt und noch in diesem Jahr soll die Anlage ihren Betrieb aufnehmen. Aus circa 20.000 Tonnen Klärschlammasche werden dann etwa 7.000 Tonnen Phosphorsäure zurückgewonnen. Für die Entwicklung des TetraPhos-Verfahrens hatte Remondis im Jahr 2016 den Green Tec-Award erhalten. Dazu wird die phosphorreiche Asche in verdünnter Phosphorsäure gelöst, was wiederum die Phosphorsäurekonzentration in der Asche erhöht und somit weitere Phosphorsäure entstehen lässt. Anschließend werden andere Inhaltsstoffe wie Kalzium, Aluminium und Eisen aus der Asche entfernt und ebenfalls einer Weiterverwertung zugeführt. Das Aluminium wird beispielsweise direkt im Klärwerk als Fällmittel bei der Abwasserreinigung genutzt. Das Kalzium kann als Gips abgetrennt und als Baustoff genutzt werden. Langfristig soll die in Hamburg anfallende Klärschlammasche möglichst komplett zur Phosphorgewinnung genutzt werden. Remondis und Hamburg Wasser sind damit Vorreiter einer Entwicklung, die mittlerweile auch gesetzlich verankert ist. Denn angesichts der weltweit schwindenden Ressourcen und der Bedeutung des Rohstoffs für den Menschen selbst, aber auch für die Industrie hat die Bundesregierung nunmehr gesetzlich vorgeschrieben, dass ab dem Jahr 2029 Abwässer gezielt zur Phosphorgewinnung genutzt werden müssen. Remondis und Hamburg Wasser leisten mit dieser ersten Anlage also wichtige Pionierarbeit für eine möglichst schnelle und flächendeckende Implementierung dieser Technologie. Dass die erste Anlage in einer Metropole wie Hamburg errichtet wird, macht angesichts der Skaleneffekte sicher Sinn. Ziel muss es jedoch sein, das Verfahren auch im kleineren Maßstab rentierlich einsetzen zu können. Schließlich gehen die natürlichen Phosphorquellen allmählich zur Neige, wird dringend Ersatz benötigt und ist es ohnehin angeraten, Rückstände jeder Art möglichst effizient wiederzuverwerten.
Mit Ökologie zum wirtschaftlichen Erfolg
Die Reinigungsmittel der Marke Frosch sind nicht die günstigsten am Markt. Dass sie sich dennoch so gut behaupten, hat mit einer grundlegenden Qualität zu tun, ist darüber hinaus aber dem ökologischen Image diese Produkte zuzuschreiben. Es ist weniger das Ergebnis einer geschickten Marketing-Strategie, sondern eher der wohlverdiente Lohn eines jahrzehntelangen Engagements. Davon künden der Deutsche Nachhaltigkeitspreis im Jahre 2009 sowie etliche weitere Auszeichnungen für die ökologische Ausrichtung des Unternehmens und seiner Produkte. So waren die Reinigungsmittel des Unternehmens zum Zeitpunkt der Markteinführung die ersten, die ohne Phosphatzusätze auskamen. Aktuell wird das ehrgeizige Ziel verfolgt, die in den Produkten verwendeten Tenside möglichst vollständig aus in Europa wachsenden Ölpflanzen zu generieren und damit einer weiteren Abholzung des Regenwaldes zur Palmölproduktion entgegenzuwirken.
Hinter der Marke Frosch steht die Werner & Mertz GmbH, welche im Jahre 2012 den Impuls setzte für eine heute vielbeachtete Recyclat-Initiative. Neben Werner & Mertz engagieren sich hier der REWE Handelskonzern, der Grüne Punkt, Unisensor Sensorsysteme, der Verpackungshersteller ALPLA sowie der Naturschutzbund Deutschland. Ziel ist es, die in den Gelben Säcken deutschlandweit gesammelten Plastikabfälle möglichst vollständig wiederaufzubereiten. Entstehen soll ein nachhaltiger Materialkreislauf, der Ressourcen schont, das Klima schützt und sich langfristig auch wirtschaftlich durchsetzt. Gemeinsam wurde ein hochmodernes, verbessertes Recycling-Verfahren entwickelt, mittels dessen sich PET-Recyclate theoretisch unendlich wiederverwerten lassen. Beispielsweise speisen sich die Verpackungen der Marke Frosch nunmehr fast vollständig aus dieser Quelle.
In einem weiteren Schritt ist es Werner & Mertz gemeinsam mit dem Grünen Punkt und den ALPLA Werken Alwin Lehner GmbH weltweit erstmalig gelungen, auch PE-Abfälle aus dem Gelben Sack zu 100 Prozent für die Herstellung neuer Verpackungen nutzbar zu machen. Nun können sogar Griffflaschen mit weitaus anspruchsvolleren Stabilitätseigenschaften vollständig aus Recyclat gewonnen werden.
Mit der Recyclat-Initiative werden explizit auch andere Akteure eingeladen, sich an den Bemühungen zur Herstellung möglichst vollständiger Stoffkreisläufe zu beteiligen. Gemeinsam soll erreicht werden, dass eine ressourcen- und umweltschonende Kreislaufwirtschaft über Branchen- und Ländergrenzen hinweg zum Standard avanciert. Dadurch würden nicht zuletzt die Meere entlastet, denn mehr als 80 Prozent des Plastikmülls dort stammt derzeit von ungesicherten Deponien. Bis heute ist es immerhin gelungen, eine vorher vollständig brachliegende Quelle – nämlich die des Gelben Sacks – im signifikanten Umfang für eine Wiederverwertung zu nutzen. Diese beträchtlichen Erfolge sollen jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die technologischen Potentiale der Kreislaufwirtschaft noch nicht einmal ansatzweise ausgereizt sind.
Enorme Potentiale
Es gibt sie natürlich, die positiven Beispiele, die innovativen Projekte und die mutigen Ideen. Doch Stand jetzt muss konstatiert werden, dass die Fortschritte insbesondere beim Produktrecycling in den vergangenen Jahrzehnten recht überschaubar waren. Vor zehn Jahren wurde die Energiewende verkündet, aktuell wird vielfach die Mobilitätswende hin zu elektrischen Antrieben aus möglichst regenerativen Ressourcen propagiert. Dies geschieht vor allem deshalb, weil der Verkehrssektor seit den 1990er Jahren keinerlei Beitrag zu Klimaschutz und Ressourceneffizienz geleistet hat. So schlimm ist es beim Recycling nicht, doch die vollständigen Produktkreisläufe sind noch immer Utopie. Sicherlich ist die thermische und damit energetische Verwertung ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Deponierung, doch das mittelfristige Ziel muss sein, die verwendeten Stoffe zu mindestens 50 Prozent auch tatsächlich wieder zurückzubringen. Aus einer Flasche wird dann bestenfalls wieder eine Flasche und nicht nur ein Kraftstoff. Denn nur so lassen sich die Wirkungsgrade erhöhen und wird es möglich, die Produktzyklen auch mehrmals zu durchlaufen. Ganz ähnlich wie bei Energie und Verkehr muss die Politik die Ziele definieren und den passenden Rahmen für deren Erreichung setzen. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz kann nur ein erster Anfang gewesen sein. Grundsätzlich wird es darum gehen, der Erde mühsam abgerungene Rohstoffe auf der einen und Recyclate auf der anderen Seite endlich auch ökologisch fair zu bepreisen bzw. zu tarifieren. Es kann beispielsweise nicht sein, dass es soviel günstiger ist, immer neue Plastik herzustellen, als die vorhandenen Möglichkeiten zur Wiederverwertung von etlichen Millionen Tonnen Plastikabfällen zu nutzen.