Pro und Contra steuerlicher Querverbund
Der steuerliche Querverbund ist in letzter Konsequenz eine Folge der Professionalisierung der Daseinsvorsorge. Würden die Leistungen der Ver- und Entsorgungswirtschaft noch immer in Eigenbetrieben organisiert, wären sie zwangsläufig Teil ein- und derselben Verwaltungsbilanz. Insofern ließe sich die aktuelle Debatte als von den Kommunen selbst verursacht abtun, doch ein anderer Weg war schlicht nicht opportun. Natürlich war es richtig, die ökonomische Betätigung aus der reinen Verwaltung herauszuholen und einer betriebswirtschaftlichen Betrachtung zu unterziehen. Das hat den Kommunen, den Bürgern und auch dem Steuerzahler viel gebracht. Dass die so generierten Gewinne auch versteuert werden sollten, gehört eigentlich zum guten Tun, andererseits jedoch werden damit wichtige Leistungen querfinanziert, die nicht so viel einbringen, wie etwa die Energiewirtschaft, aber dennoch essentiell sind für das Zusammenleben vor Ort.
In diesem Zusammenhang macht es Sinn, wenn beispielsweise ein Stadtwerk dank seiner Kundenbindung, seiner guten Organisationsstrukturen und seiner motivierten Mitarbeiter Gewinne abwirft und damit ein ebenso an Effizienzkriterien ausgerichtetes Nahverkehrsunternehmen unterstützt.
Viele private Wirtschaftsunternehmen hingegen sehen im steuerlichen Querverbund eine unangemessene Privilegierung kommunaler Verbünde und darüber hinaus eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs. Hier wird häufig die Analogie zum ertragssteuerrechtlichen Begriff der „Liebhaberei“ bemüht. Allerdings kann davon schon deshalb nicht die Rede sein, weil es im Regelfall keine Option ist, auf das dauerhaft defizitäre Angebot des ÖPNV, des Stadtbads oder der kulturellen Einrichtungen zu verzichten. Schließlich sind die Kommunen als Aufgabenträger gesetzlich verpflichtet, eine angemessene Versorgung sicherzustellen.
Vorerst vom Tisch
Das Konstrukt des steuerlichen Querverbunds ist in den vergangenen Jahren erheblich unter Druck geraten und derzeit akut bedroht von der europäischen Rechtsprechung. Eben weil das Modell seit der Liberalisierung der Energiemärkte nahezu kontinuierlich kontrovers debattiert wurde, wollte die Bundesregierung vor einigen Jahren für Rechtssicherheit sorgen. Nunmehr wurde explizit verankert, was vorher eher dem Gewohnheitsrecht entsprach. Dauerverluste, die aus verkehrs-, sozial- oder gesundheitspolitischen Gründen übernommen würden, sollten demnach nicht als verdeckte Gewinnausschüttung gelten. Das gilt seitdem in Deutschland, wurde aber der EU nicht zur Prüfung vorgelegt. Steuerprüfer in Mecklenburg-Vorpommern nahmen letzteren Umstand zum Anlass, dieses klassisch kommunale Steuersparmodell nicht mehr anzuerkennen. Ein Stadtwerk hatte seine Gewinne mit den Verlusten aus dem Betrieb eines kommunalen Bades verrechnet und so die Steuerschuld gemindert. Die Prüfer sahen eine verdeckte Gewinnausschüttung gegeben und forderten deutlich höhere Zahlungen an den Fiskus. Die Kommune legte Widerspruch beim Bundesfinanzhof ein und dieser wiederum veranlasste die Überprüfung auf EU-Rechtskonformität durch den Europäischen Gerichtshof. Eine Entscheidung wurde für das Jahr 2021 erwartet, allerdings hatte sich das betreffende Stadtwerk im Interesse der gesamten Branche für eine Rücknahme des Revisionsantrags beim Bundesfinanzhof entschieden, womit der Prüfungsauftrag für den EuGH in Gänze entfiel. Die Gefahr einer abschlägigen europarechtlichen Begutachtung scheint offenbar als zu hoch eingeschätzt worden zu sein, mit der Beilegung des Verfahrens ist sie allerdings mitnichten vom Tisch. Bei den Finanzgerichten sind eine Reihe weiterer Verfahren anhängig, in denen es darum geht, das deutsche Beihilfewesen auf europarechtliche Konformität zu untersuchen. Es ist daher nicht ganz unwahrscheinlich, dass in den kommenden Jahren doch noch einmal der Europäische Gerichtshof befasst sein wird. Zudem kann die Europäische Kommission ein solches Verfahren jederzeit aus eigenem Antrieb einleiten.
Im Sinne der Rechtssicherheit wäre es wünschenswert, wenn die geltenden Regeln verlässlich zur Anwendung gelangen könnten. Das ist nicht nur wichtig für die Kommunen und ihre Unternehmen, sondern auch für andere Marktteilnehmer, die teilweise in einer direkten Konkurrenzbeziehung zu diesen stehen.
Steuerflucht vs. Daseinsvorsorge
Jedes Mal, wenn der steuerliche Querverbund unter Druck gerät, sind die gleichen – zumindest aus kommunaler Perspektive recht nachvollziehbaren – Argumente zu hören. Dann heißt es, dass ohne dieses Modell viele Bäder, Busse und andere kommunale Leistungen zur Disposition stünden. Das ist vermutlich auch so, gilt allerdings nur bei sonst gleichen Bedingungen. Wenn tatsächlich grundlegende rechtssystematische und wettbewerbliche Bedenken vorliegen, reicht die kommunale Perspektive als Rechtfertigung allein nicht aus, greift das Argument zu kurz. Zudem geht es nicht zuletzt um eine mögliche Benachteiligung anderer Marktteilnehmer. Und schließlich hinderte die zuständigen Landesregierungen zumindest theoretisch nichts daran, für eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen zu sorgen und sie somit in die Lage zu versetzen, die aufgetragenen Aufgaben zur allgemeinen Zufriedenheit zu organisieren.
Betrachtet man die Öffentliche Hand als Ganzes, geht es lediglich um das berühmte Spiel „linke Tasche, rechte Tasche“. Die Kommunen mögen durch den steuerlichen Querverbund an Gestaltungskraft gewinnen, der Allgemeinheit gehen aber signifikante Beträge verloren. Daraus ergibt sich für die einzelnen Bürger im besten Falle ein Nullsummenspiel. Die Verlustverrechnung verhindert zudem eine offene Diskussion über Sinn und Unsinn dauerhaft defizitärer Unternehmungen. Nicht jedes Spaßbad zwischen Rügen und Allgäu muss ohne jegliche inhaltliche Debatte als sakrosankt gelten. Abseits einer elementaren Grundversorgung – etwa für das Schulschwimmen – müssen die Bürger letztlich selbst entscheiden, welche Angebote sie finanzieren wollen und welche nicht. Sie können dies jedoch nur angemessen beurteilen, wenn jedes Jahr eine ungeschönte Rechnung vorliegt. Das gilt für das Spaßbad genauso wie für das städtische Museum oder die Philharmonie. Denn es kann ja durchaus sein, dass die Überschüsse der Stadtwerke anderswo besser investiert wären als in dauerdefizitären Unternehmungen. In diesem Zusammenhang seien so grundlegende Umwälzungen wie die Digitalisierung oder auch die dringend nötige Nachhaltigkeitswende genannt. Gerade in der Energiewirtschaft lässt sich für die kommenden Jahre eine deutlich wachsende Wettbewerbsintensität prognostizieren. Wenn die Stadtwerke ihre Erlöse für wichtige Zukunftsinvestitionen nutzen könnten, würden sie damit ihre Marktposition in einem schwieriger werdenden Umfeld festigen. Perspektivisch wäre den kommunalen Gesellschaftern so womöglich mehr gedient, als wenn die entsprechenden Beträge im städtischen Bad oder anderswo buchstäblich versenkt werden.
Beschränkung des Wettbewerbs?
Die Debatte muss vom Kopf wieder auf die Füße gestellt werden. Die Alternative lautet ja eben nicht: Steuerlicher Querverbund vs. verödete Städte und Gemeinden. Im Rahmen der Flüchtlingskrise, angesichts des erheblichen Investitionsstaus und aktuell in Zeiten von Corona haben Bund und Länder mehrfach unter Beweis gestellt, dass sie die Kommunen nicht im Regen stehen lassen. Selbstverständlich wird es eine irgendwie geartete Kompensation geben, wenn der steuerliche Querverbund als nicht europarechtskonform gewertet würde. Und tatsächlich weist das Modell hier und da seine Fallstricke auf. Das Problem der Transparenz wurde bereits angesprochen, jenes der Investitionskonkurrenz ebenfalls. Im Sinne eines möglichst freien Wettbewerbs verdient ein weiterer Aspekt Beachtung. Denn der steuerliche Querverbund setzt signifikante Impulse hin zu einer stärkeren Integration von Versorgungsleistungen in einen kommunalen Verbund. Das mag aus der einen oder anderen Perspektive Sinn machen, sollte jedoch aus strukturellen Erwägungen erfolgen und nicht allein aus steuerrechtlichen Gründen. Zumal dann nicht, wenn sich möglicherweise auch private Unternehmen für eine Erledigung interessieren könnten, was insbesondere beim ÖPNV nicht selten der Fall ist. Dann wird der steuerliche Querverbund zum indirekten Wettbewerbshindernis.
Andauernde Unsicherheit
Die kommunalen Spitzenverbände, der Verband kommunaler Unternehmen und auch das Bundesfinanzministerium geben sich betont optimistisch, dass der steuerliche Querverbund auch bei einer möglichen Überprüfung durch die gestrengen Luxemburger Richter Bestand haben wird.
Schon bei Einführung des Gesetzestatbestandes wurde argumentiert, dass der steuerliche Querverbund weit vor den Römischen Verträgen von 1958 vorherrschend gewesen sei und als sogenannte Altbeihilfe keinen Verstoß gegen geltendes EU-Recht darstelle. Zusätzlich heißt es, dass dauerdefizitäre Leistungen der Daseinsvorsorge per se ein klassisches Marktversagen repräsentieren würden und mögliche Wettbewerbsbeschränkungen daher nicht behauptet werden könnten; dass es beihilfenrechtlich unerheblich sei, ob der Defizitausgleich aus Steuern oder aus dem kommunalen Haushalt heraus finanziert werde. Und schließlich wird – etwa bei Bädern oder dem ÖPNV – auf den öffentlichen Zweck verwiesen, der wiederum eine Querfinanzierung als angemessen erscheinen lasse. Man wird sehen, wie weit das trägt, doch im Grundsatz ist es nicht ungewöhnlich, dass die spezifisch deutsche Organisationsweise der Daseinsvorsorge unter europarechtlichen Beschuss gerät. Das war in der Vergangenheit schon so und hat bereits zu teilweise empfindlichen Einschnitten geführt.
Es scheint keinesfalls gesichert, zu welchem Schluss die Luxemburger Richter kommen werden. Und aktuell ist nicht einmal klar, ob und wann sie sich in dieser Sache überhaupt befassen werden. Das Damoklesschwert eines negativen Votums schwebt seit Jahren über der kommunalen Familie und wird also weiterhin zur Verunsicherung beitragen. Seit Ende der 1990er Jahre war es immer wieder die europäische Ebene, die einzelne Aspekte des Beihilfenrechts zur Disposition stellte. Eine Gesetzesnovelle, die diesen Aspekt nicht klärt, muss als außerordentlich halbherzig kritisiert werden. Doch sie hätte immerhin die nötige Zeit bringen können, alternative Finanzierungsmodelle zu ersinnen, die die Verbundeffekte des steuerlichen Querverbundes anderweitig absichern könnten. Leider aber sind die Jahre bislang nutzlos verstrichen.